BOSNISCHE TAGE IN INNSBRUCK: KULTURELLE VERBINDUNG UND ERINNERUNG

Die bosnisch-herzegowinische Gemeinschaft in Österreich feierte die Tage Bosniens in Innsbruck mit einer zweitägigen Veranstaltung, die Kultur, Geschichte und Gemeinschaft gewidmet war.

ERSTER TAG: FILM, GESPRÄCH UND GEMEINSAME TRADITIONEN

Am 4. April fand im Hotel „Grauer Bär“ ein Bosnischer Abend mit der Vorführung eines Films des bosnisch-herzegowinischen Schriftstellers Jovica Letić statt. Der Film hob durch die Linse der Geschichte die gemeinsamen Verbindungen zwischen Österreich und Bosnien und Herzegowina hervor – mit besonderem Fokus auf das wertvollste Kapital Bosniens: das menschliche Potenzial.

Gezeigt wurde der Weg von loyalen Soldaten der k.u.k.-Armee über die Aktivitäten der Bosnischen Akademischen Gesellschaft in Österreich bis hin zur Bildung der bosnischen nationalen Minderheit – ein Werdegang, der unter den Anwesenden lebhafte Resonanz fand.

Im Anschluss an die Vorführung fand eine Podiumsdiskussion zu den Themen des Films statt, die sich auch mit dem Buch „Pomirenje svjetova“ (Versöhnung der Welten) überschneiden. Der Autor des Buches, Siradj Duhan, stellte sein Werk vor und betonte die Bedeutung des Dialogs durch kulturelles Erbe.

Die Diskussion weckte spürbaren Enthusiasmus für die Verstetigung solcher Begegnungen als neue Tradition – darin waren sich alle einig.
Der Abend endete mit einer Tombola mit Buchpreisen, die die herzliche Stimmung zusätzlich unterstrich.

ZWEITER TAG: EHRE UND GEMEINSAMES GEDENKEN

Am zweiten Tag, dem 5. April, wurde eine Gedenkfeier auf dem Soldatenfriedhof in Innsbruck abgehalten, wo zahlreiche bosnisch-herzegowinische Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg ihre letzte Ruhe gefunden haben.

Das Programm wurde feierlich eröffnet mit einer bewegenden Kombination aus Querflötenspiel von Dominika Hučka und der Rezitation des Gedichts „Gorčin“ von Mak Dizdar, eindrucksvoll vorgetragen von Daniela Evans.

Hermann Hotter, Präsident des Tiroler Schwarzen Kreuzes und langjähriger Gast der Veranstaltung, betonte die Symbolkraft des Zusammenkommens an diesem Ort:

„Dies ist ein Ort der Erinnerung an eine gemeinsame Geschichte und eine Brücke zwischen den Völkern.“

In seiner Festrede rief Siradj Duhan dazu auf, Wege des Verständnisses zwischen den Nationen zu suchen:

„Kriege sind niemals eine Lösung. Unsere Aufgabe ist es, Brücken zu bauen, damit künftige Generationen den Frieden teilen können.“
Die vollständige Rede ist unter der Bildgalerie des Beitrags zu finden.

INITIATIVE FÜR EIN GEMEINSAMES DENKMAL

Der bedeutendste Impuls der diesjährigen Tage war die Initiative des Rates der Österreichischen Bosnier:innen zur Errichtung eines gemeinsamen Denkmals für alle gefallenen bosnisch-herzegowinischen Soldaten des Ersten Weltkriegs, die in Amras beigesetzt sind.

Vorgeschlagen wurde die Aufstellung eines Stećak – eines traditionellen bosnischen Grabsteins.
Diese symbolische Geste soll nicht nur das Andenken an die Vorfahren bewahren, sondern auch die Verbindung der bosnischen Diaspora zu Innsbruck stärken und sichtbar machen.

Die gesamte Veranstaltung verlief in einem würdevollen Ton und bestätigte die Kraft des kulturellen Erbes als Fundament für Gemeinschaft, Dialog und gegenseitigen Respekt.

Gemeinsam gehen wir weiter.

Hinweis: Untenstehend folgt die Rede vom Präsidenten der Gesellschaft Bosnischer Akademiker in Österreich, Siradj Duhan.

Meine verehrten Damen und Herren,

Der Soldatenfriedhof Amras in Innsbruck ist nicht nur ein Ort des Gedenkens für diejenigen, die hier ruhen, sondern auch ein Symbol der Verbundenheit zwischen den Nationen. Heute erinnern wir, die bosnische Volksgruppe in Österreich, an unsere tapferen Vorfahren, die im Ersten Weltkrieg ihr Leben für die gemeinsame Heimat ließen.

Die Bosniakenregimenter zählten zu den tapfersten Einheiten der k.u.k. Armee. Es sei hier daran erinnert, dass früher alle Einwohner Bosniens und der Herzegowina als “Bosniaken” bezeichnet wurden. Heute bezeichnet ‚Bosnier‘ alle Staatsbürger von Bosnien und Herzegowina. Mit ihrem Einsatz erwiesen sie nicht nur ihre Loyalität, sondern auch ihre Anerkennung für die Entwicklung ihrer Heimat in den Jahrzehnten zuvor.

Wie auch hier an Denkmäler zu sehen ist, war ein besonderes Kennzeichen der bosnischen Soldaten der Fez, der je nach Anlass in unterschiedlichen Farben getragen wurde: grau im Kampf, rot bei Paraden und weiß in der Marine. Unabhängig von ihrer Religion trugen alle Soldaten der bosnischen Regimenter dieses Symbol ihrer Einheit und Zugehörigkeit.

Hier möchte ich das bosnisch-herzegowinische Infanterieregiment Nr.2 aus dem Ergänzungsbezirk Banja Luka besonders erwähnen, welches zum meistausgezeichneten Regiment der gesamten k.u.k. Armee wurde. Mit Hauptmann Gojkomir Glogovac diente sogar ein Maria-Theresien-Ritter in seinen Reihen, der selbst aus Bosnien stammte.

Das Regiment setzte sich zu Beginn des Ersten Weltkriegs aus nahezu 50 Prozent serbisch-orthodoxen, 35 Prozent muslimischen und 15 Prozent kroatisch-katholischen Soldaten zusammen. Auch eine kleine Anzahl jüdischer und andersgläubiger Soldaten war Teil dieser Einheit. Ihre gemeinsame Hingabe und ihr Zusammenhalt sind es, die wir heute an diesem Ort ehren.

Diese Vielfalt war keine Schwäche, sondern eine Stärke. Sie zeigt uns, dass große Herausforderungen nur durch Einheit und nicht durch Spaltung gemeistert werden können – eine Erkenntnis, die auch heute noch von Bedeutung ist.

Es ist daher nur allzu berechtigt, dass die an den Folgen von Verwundung oder Krankheit in Innsbruck verstorbenen Soldaten aus Bosnien-Herzegowina an einem so würdigen Platz in Amras ihre letzte Ruhe gefunden haben.

Es geht aber nicht darum die Heldentaten hervorzuheben, sondern uns zu erinnern, dass auch Vergeben ein Teil des Lebens ist, was uns ermöglicht die Zukunft zu gestalten.

Denn nur, wenn wir erinnern ohne zu mythologisieren, und vergeben, können wir die Zukunft gemeinsam gestalten.

Die Zukunft wird uns dann ein besseres und verständnisvolles Miteinander ermöglichen, wenn wir die Geschichte kennen und daraus die richtige Lehre ziehen.

Da Geschichte oft aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt wird, ist es unsere Aufgabe, einen gemeinsamen Nenner zu finden, mit dem alle leben können.

Vor allem ist es wichtig, einen Weg zu finden damit keine kriegerischen Auseinandersetzungen entstehen können.

Diese Lehre gilt nicht nur zwischen Staaten, sondern beginnt im Kleinen – im Miteinander von Nachbarn und Gemeinschaften. Der beste Weg ist, die Nachbarschaftsbeziehungen mit gegenseitigem Respekt zu pflegen – denn wenn wir diesen stets an erste Stelle stellen, entsteht eine positive Spirale, die uns alle nach oben trägt.

Daher sind wir heute da, um uns auf diesem Ort zu besinnen und gemeinsam die Zukunft zu gestalten. Möge die anerkannte bosnische Volksgruppe in Österreich einen Beitrag dazu leisten.

In diesem Sinne danken wir allen, die diesen Ort des Gedenkens bewahren und damit Brücken zwischen Vergangenheit und Zukunft bauen. Unser besonderer Dank gilt der Landesstelle des Österreichischen Schwarzen Kreuzes für die Pflege des Friedhofs sowie den Koordinatoren der Gesellschaft bosnischer Akademiker in Österreich und der EU, die diese Gedenkfeier ermöglicht haben.

Siradj Duhan,

Präsident der Gesellschaft Bosnischer Akademiker in Österreich und EU