Das VGG definiert Volksgruppen als “in Teilen des Bundesgebietes wohnhafte und beheimatete Gruppen österreichischer Staatsbürger mit nichtdeutscher Muttersprache und eigenem Volkstum” Diese Definition schuf bei der Anerkennungsdiskussion der Roma und Sinti große Probleme und wird auch der modernen Mobilität der Menschen nicht mehr gerecht. Sie schließt vier der anerkannten sechs Volksgruppen von Sprachenrechten aus.1
Erst durch eine Änderung dieser Definition und insbesondere der an die Konzentration von Minderheitenangehörigen in bestimmten Gebieten gebundenen Rechte wird z. B. den Roma und Sinti, den Slowaken, den Tschechen und Ungarn in Wien und den Slowenen in der Steiermark der faktischer Zugang zu Minderheitenrechten eröffnet.
Schwierig ist auch die Frage der “neuen” Minderheiten. Im VGG wird keine exakte Grenze zu den “alten” Minderheiten (derzeit: Kroaten, Slowenen, Ungarn, Tschechen, Slowaken und Roma und Sinti) gezogen. Die maßgeblichen Juristen haben aber das Kriterium “beheimatet” stets restriktiv ausgelegt und mit “mindestens drei Generationen im jeweiligen Siedlungsgebiet ansässig” übersetzt. Neue Gruppen, die Interesse an einer Anerkennung als Volksgruppe haben, sehen sich daher gezwungen, die eigene Existenz zu rechtfertigen.
Eine bessere Definition die der o.g. Auslegung wiederspricht:
“Der Begriff Minderheit bezieht sich auf eine Gruppe, die zahlenmäßig kleiner ist als die übrige Bevölkerung eines Staates, sich in einer nichtdominanten Position befindet, deren Angehörige – als Bürger dieses Staates – ethnische, religiöse oder sprachliche Eigenheiten besitzen, die von jenen der übrigen Bevölkerung verschieden sind, und welche, wenn auch unausgesprochen, einen Sinn für Solidarität zur Erhaltung ihrer Kultur, Traditionen, Religion und Sprache zeigen.”2
Hier stellt sich wohl auch die grundsätzliche Frage, ob ein Staat seinen Staatsbürgern, die real existieren und aufgrund sprachlicher und kultureller Besonderheiten faktisch eine Volksgruppe bilden, die Anerkennung verweigern darf, indem er die Kriterien selbst so setzt, daß eine Verweigerung der Anerkennung letztlich rechtens scheint.
1 VGG, BGBl. 196/1976, § 2 Abs 1 Z 2 verlangt für Sprachenrechte 25% Volksgruppenangehörige in einer Gemeinde!
2 F. Capotorti: Study on the Rights of Persons belonging to Ethnic, Religious and Linguistic Minorities, in UN.Doc.E/CN.4/Sub.2/384 vom 20. 06. 1977, S. 96.